GEOlino Ferienheft
Den besten Weg durch eine Schlucht – kennt der Fluss
In den Zillertaler Alpen in Österreich lassen sich junge Abenteurerinnen und Abenteurer mit dem Wasser eines Bachlaufs talwärts treiben. Ein echt spritziger Spaß ...
Dort in der Tiefe waten Clara und die anderen Kinder gerade durchs Wasser – auf den ersten Metern der Tour.
Clara traut sich als Erste: Nah und immer näher tastet sie sich an die Kante des Felsvorsprungs heran. Über ihr steigen die Berggipfel der Zillertaler Alpen auf. Unter ihr, in drei Meter Tiefe: wirbelndes Wasser. Der Zemmbach, der zwischen Bäumen und Gesteinsbrocken aus den Bergen herunterbraust, staut sich hier in einem kleinen Pool. Claras Herz pocht beim Blick hinab. Noch ein Schritt vor. Ein tiefer Atemzug. Die Zehnjährige springt – und ist verschwunden.
Erst nach ewig langen Sekunden taucht ihr Kopf mit dem blauen Helm wieder aus dem türkisgrünen Wasser auf. Clara bibbert, doch ihre Augen blitzen, das kön- nen die anderen neun Jungen und Mädchen, die auf dem Fels warten, selbst aus der Entfernung erkennen. „Kommt schon!“, ruft Clara ihnen zu. „Ist ein bisschen kalt, aber voll cool.“
Wenige Minuten später haben sie sich alle hineingestürzt ins Wasser des Zemmbachs – und in dieses Abenteuer namens „Canyoning“ (sprich: „känjuning“). Aus dem Englischen übersetzt, bedeutet es in etwa: „schluchteln“ (von „canyon“: Schlucht).
Zemmschlucht - Blue Lagoon
Denn die Kinder begnügen sich nicht damit, die Zemmschlucht, die das Gebirge oberhalb der österreichischen Stadt Mayrhofen tief einschneidet, aus der Ferne zu bestaunen. Sie wagen sich mitten hinein und folgen dann dem Lauf des Zemmbachs, dessen Wasser sich durch die v-förmigen Felswände zwängt, es strudelt, schießt, fließt und fällt. Auch Clara und die anderen werden sich auf alle möglichen Weisen durch die enge Schlucht bewegen, werden schwimmen, rutschen, sich abseilen – und immer wieder metertief springen.
„Wer hat ein Seepferdchen?“, fragt Canyoning-Guide Maik sie darum noch vor dem Start. Alle Hände gehen hoch. „Wer hat Höhenangst?“ Alle Hände bleiben unten. „Dann los!“ Quietschend und kichernd kraxeln sie im Gänsemarsch einen bewaldeten Hang hinab. Die Kinder haben sich Klettergurte angelegt und in dicke Neoprenanzüge gezwängt. Die sollen sie vorm Auskühlen schützen. Denn der Zemmbach – längst hör-, aber noch nicht sichtbar – ist „zapfig“, wie sie hier sagen: eisige acht Grad Celsius kalt. Er speist sich aus einem hoch gelegenen Gletschersee.
Dann taucht er endlich vor ihnen auf
Glitzernd und tosend schlängelt sich das Wasser durch eine Welt aus Steinen, kleinen und riesengroßen. Anfangs staksen die jungen Aben- teurerinnen und Abenteuer durchs knietiefe Eiswasser. Dann versper- ren ihnen riesige Gesteinsbrocken den Weg. Dahinter geht es steil nach unten. Der Bach quetscht sich durch Ritzen talwärts. „Ihr könnt jetzt außen rumgehen. Oder runterspringen“, sagt Maik.
Die Kinder zögern. Da tritt Clara vor. Sie kommt aus der Gegend und hat schon zig Canyoning-Touren gemacht. „Aber dieses kribbelige Bauchgefühl habe ich noch immer“, erzählt sie später. Also auch vor diesem Sprung ...
Das Wasser schwemmt die Jungen und Mädchen nun in tiefere Becken. Juchzend flutschen sie über Steinrutschen. Kälte, Angst und steife Neoprenanzüge scheinen vergessen. Wie- der Felsbrocken, über denen nun aber ein Seil gespannt ist – wie eine schiefe Wäscheleine. Begleiter Maik klinkt die Klettergurte der Kinder nacheinander ein, sodass sie sich am Fels entlang abseilen können. „Weit nach hinten lehnen, dann passiert nix“, ruft er ihnen nach. Clara, ganz Profi, nickt.
Unten angekommen, hüpft sie sogleich wieder ins Wasser, schwimmt ein paar Züge, bis der Zemmbach erneut Fahrt aufnimmt und sie mitnimmt. Dann aussteigen und weiter bergab kraxeln. Hinter jeder Stufe, jeder Kurve wartet eine neue Herausforderung. Es ist der perfekte Abenteuerspielplatz, gestaltet allein durch Wasserkraft (lest dazu auch den Kasten links).
Zwei Stunden, zwei Kilometer und etliche Sprünge und Rutschpartien später sind Clara und die anderen im Ziel: ein flaches Stück des Zemmbachs. Maik will Clara abklatschen, doch sie bemerkt ihn kaum. Sie guckt dem gluckernden Bach hinterher. Sie würde ihm gern noch weiter folgen ...
So entsteht eine Schlucht
Wasser hat ungeheure Kraft. Das zeigt sich auch an und in der Zemmschlucht. Einst war sie nichts als ein gewaltiges Gesteinsmassiv. Irgendwann begannen Regen- und Schmelzwasser talwärts zu strömen. Das herabstürzende Wasser riss dabei immerzu auch Geröll und Steine mit sich: ein unendlicher Strom von Schleifmaschinen. Über viele Jahrtausende fräste sich der Bach so tief ins Gestein des Zemmbach- tals ein und formte die v-förmige Schlucht.
Impressum
Text: Katharina von Ruschkowski
Fotos: Andreas Monsberger
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